Hülzweiler und seine "Linie 4" die Straßenbahn

Teil 1

von Otto Wilhelm

Im Jahr 2010, am 29.3. jährte es sich, dass vor 50 Jahren die letzte Fahrt der Straßenbahn "Linie 4" stattfand. Fast 33 Jahre bestimmte die "Elektrisch" wie die Bahn genannt wurde den Verkehr in Hülzweiler u. auch das Straßenbild. Die Straßenbahn war die größte technische Einrichtung im Ort nach ihrer Inbetriebnahme am 13. August 1927. Die Investition zur Verbesserung der Verkehrslage war eine segensreiche Tat und wurde von der Bevölkerung sofort angenommen. Ein Rückblick in diese bedeutende Zeit des Ortes lohnt sich also. - Bis zum Jahre 1927 waren die Verkehrsanbindungen für Hülzweiler wenig attraktiv. Man gehörte zur Bürgermeisterei Fraulautern und musste für jede standesamtliche Eintragung zu Fuß den Weg machen. Erst unter dem rührigen Ortsvorsteher Matthias Rupp (1920 - 1929) wurde ab dem 1.4.1925 ein Standesamt in Hülzweiler eingerichtet. Der Weg nach Ensdorf durch den Wald war in einem schlechten Zustand und wurde für den Einkauf in Saarlouis kaum genutzt. Die Verbindung nach den Nachbardörfern Saarwellingen und Schwarzenholz war nur durch einen langen Fußmarsch zu bewältigen. Alle Bergleute und Hüttenarbeiter hatten jeden Tag eine lange Wegstrecke vor sich.

Im Jahre 1897 hatte die Stadt Saarlouis mit dem Bau von Kleinbahnen begonnen, ein erster Fortschritt. Für den Kreis Saarlouis errichtete nun die Eisenbahnbau Becker-Berlin elektrische Straßenbahnlinien, die im Jahre 1913(!) eröffnet wurden. So gingen ab d. 18. Oktober 1913 fünf Strecken in Betrieb:

a. Staatsbahnhof - DIllingen- Nalbach
b. Saarlouis.Ensdorf-Schwalbach
c. Fraulautern-Saarwellingen
d. Fraulautern-Ensdorf-Bous
e. Lisdorf-Wadgassen

Im Jahre 1914 umfasste das Straßenbahnnetz 37 km. Es waren in Betrieb: 28 Triebwagen, ein Beiwagen und 2 Packwagen. Im Jahre 1918 wurde das Streckennetz erweitert und es wurde auf 8 Linien gefahren, die mit den Nummern 1-8 bezeichnet wurden. Unsere Nachbardörfer Schwalbach, Ensdorf und Saarwellingen hatten nun einen direkten Anschluss an die Kreisstadt und konnten auch durch gezieltes Umsteigen ihre Nachbarn erreichen.

Nur unser Hülzweiler war noch verkehrstechnisch auf dem alten Stand geblieben.

Seit 1920 war Matthias Rupp nun Ortsvorsteher und sein Verdienst ist es, dass er mit Energie daran arbeitete Hülzweiler in eine "neue Zeit" zu bringen. Mit Unterstützung aller Mitglieder des Gemeinderates gelang es ihm, wie schon erwähnt, einen Standesamtbezirk zu etablieren, er bekam die Genehmigung zur Errichtung eines Wochenmarktes, und nun versuchte er mit ganzer Kraft Hülzweiler eine Anbindung an das Straßenbahnnetz zu verschaffen. Ein Bescheid der Kreisbahn AG. vom 12.06.1923 dämpfte jedoch die Hoffnung auf einen Anschluss.

Ortsvorsteher Matthias Rupp resignierte aber nicht und bemühte sich unermüdlich weiter. Über den erfolgreichen Abschluss seiner Bemühungen 1927 berichte ich in der nächsten Ausgabe. (Mit Bildern)

Endstation Hülzweiler Linie 4 - Gleisanlage mit Wendeschleife, 
Hülzweiler am 9.8.1959 Kirmes der Tw 12 setzt um:

Veröffentlicht im Gemeindeboten Schwalbach: 20.11.2009 : 47/09 (jedoch mit anderem Bild)

Hülzweiler und seine "Linie 4" die Straßenbahn

Teil 2

von Otto Wilhelm

Wie ging es nun weiter mit den Bemühungen, Hülzweiler einen Anschluss an das Straßenbahnnetz zu ermöglichen? Der schon genannte Ortsvorsteher Mathias Rupp hatte sich seit seinem Amtsantritt 1920 bemüht, Hülzweiler verkehrstechnisch zu verbessern. Die zuständigen Stellen in Saarlouis glaubten jedoch nicht an eine ausreichende "Rentabilität" einer Straßenbahnlinie nach Hülzweiler. Doch immer wieder versuchte O.V. Rupp durch Eingaben und auch persönliche Vorstellungen, diese vom Gegenteil zu überzeugen. Eine Eingabe vom 23.03.1925 kann als gravierendes Beispiel gelten (siehe Anlage). Letztendlich schaffte Rupp den Durchbruch und erhielt einen positiven Bescheid, und im Jahre 1926 wurde mit dem Ausbau der Nebenstrecke von Fraulautern aus nach Hülzweiler begonnen. An der Haltestelle Ulanenstraße wurde eine Weichenstelle installiert für den Abzweig nach Hülzweiler, die ''von Hand" bedient werden musste. Rechtzeitig zur Hülzweiler Kirmes fuhr die erste "Elektrisch" am 13. August 1927 in Hülzweiler ein (siehe Bild). Eine große Anzahl von Menschen begrüßte das Eintreffen der Bahn mit Triebwagen und Anhänger.

Die Linie 4, die bis jetzt durch Ensdorf fuhr, jetzt durch bis Bous, wurde zur Linie 6, und Hülzweiler wurde als "Linie 4" eingeführt. Die Streckenführung war wie folgt: Saarlouis Kleiner Markt, großer Markt, Bahnhof, Badeanstalt Frlt., Wirtstraße, Ulanenstraße, mit Weiche, Goldner Stiefel, Sand, Sandberg, Neue Welt, Endstation a.d. Kirche mit Wendeschleife. Die Stellen Badeanstalt Frlt. Sand und Sandberg waren nur Zahlstellen, keine normalen Haltestellen.

(Die Strecke Sls - Ensdorf - Bous wurde Linie 6.)

Zwischen Fraulautern und Hülzweiler befuhr die Bahn eine Schotteraufschüttung neben der Straße bis zum Ortseingang von Hülzweiler. Dann verlief die Linie auf der linken Spur direkt auf der Straße durch das Dorf bis zur Endstation. Es war verkehrstechnisch eine riskante Angelegenheit, an die man sich Hülzweiler erst einmal gewöhnen mußte. Bei dem heutigen Verkehrsaufkommen eine unmögliche Situation.

Die vielfach vertretene Befürchtung, die Bahn würde sich nicht rentieren, erwies sich als falsch. Die Linie 4 zeigte sich positiv für Hülzweiler, wurde von der Bevölkerung in hohem Maße genutzt, und auch die Nachbarn as Schwarzenholz profitierten davon.

(Im nächsten Bericht werden u.a. Personen aus Hülzweiler vorgestellt, die Anstellung bei der Bahn fanden. Die erste P. war eine Frau, die bereits 1914 Schaffnerin der Linie nach Wallerfangen war (Bildanhang).

Hülzweiler, den 23.3.25.

Ergebenst zurückgesandt.

Der gewöhnliche Verkehr dürfte täglich ungefähr 80-100 Personen betragen. Außerdem arbeiten in Fraulautern und Dillingerhütte ungefähr 100 Personen. Es kommen noch in den Mittagsstunden die Essensträger in Frage, ungefähr 40 Personen. In kurzer Zeit dürfte Schacht Duhamel in vollständigen Betrieb kommen, sodaß ungefähr 4-500 jeden Tag nach dort müssen. Auch ist damit zu rechnen, daß Leute von Schwarzenholz über Hülzweiler nach Saarlouis fahren würden. Auch ist zu erwarten, daß d. Bahn viel benutzt werden könnte für Transport u. sonstige Materialien. Da ich d. Woche Frühschicht habe, bitte ich zu entschuldigen, daß ich persönlich d. Bericht nicht abgeben konnte. - Rupp - 13. August 1927. Erste Fahrt "Linie 4" Ankunft in Hülzweiler

Veröffentlicht im Gemeindeboten Schwalbach: 27.11.2009 : 48/09

Hülzweiler und seine "Linie 4" die Straßenbahn

Teil 3

von Otto Wilhelm

Die Straßenbahn fuhr nun durch unser Dorf. Sie brachte nicht nur gravierende Veränderungen im Straßenbild, wie kaum ein Ereignis zuvor, sondern auch im Lebensbereich der Bevölkerung. Man hatte nun eine direkte Anbindung an die Kreisstadt, welche vielen ermöglichte neue Arbeitsplätze zu bekommen. Junge Frauen fanden Arbeit als Verkäuferinnen in Saarlouis oder als Arbeiterinnen in den Fabriken von Fraulautern. Die Linie von Fraulautern nach Dillingen war natürlich auch sehr wichtig wegen der Arbeitsplätze auf der Hütte, ersparte lange Fußwege. Einige Männer aus Hülzweiler bewarben sich bald auch bei der "Bahn" selber und wurden eingestellt, erhielten einen Arbeitsplatz auf Lebzeiten. - Die Einrichtung Bahn erwies sich bald als wirtschaftlich und wurde teilweise auch von den Nachbarn aus Schwarzenholz angenommen. Die Zahl der Jugendlichen, die eine höhere Schule in Saarlouis besuchen wollten stieg an, auch die Jugend aus dem schon genannten Nachbarsdorf provitierte davon. - Einzig der Fahrpreis machte manchem Bürger noch Sorgen, es musste bar bezahlt werden und Geld war immer noch knapp.

So machten viele Leute aus Hülzweiler von der Möglichkeit Gebrauch, an der Haltestelle "Wirtstraße" auszusteigen um den Rest des Weges in die Stadt zu Fuß zu machen.

In den ersten Jahren wurde noch die Fähre über die Saar benutzt. (Nur die Kinder vor dem schulpflichtigen Alter waren vom Fahrgeld befreit) - Nach einer Zeit der Probe und Eingewöhnung fuhr die "Linie 4" bald im Stundentakt von den frühen Morgenstunden an, bis in den späten Abend. (Viele Bahnlinien unterbrachen ihre Fahrt nur von 2.30 Uhr bis 3.40 Uhr.)

Als der zweite Weltkrieg 1939 begann, lag der Kreis Saarlouis im Frontgebiet und wurde von der Zivilbevölkerung evakuiert. Monatelang ruhte der gesamte Straßenbahnverkehr, bis im Sommer 1940 die Bewohner wieder in ihre Heimatorte zurückkehren konnten. Auch im Jahre 1945, am Ende des Krieges wiederholte sich dieser Zustand.

Trotz erheblicher Zerstörungen durch Luftangriffe und Kampfhandlungen beim Einmarsch der Amerikaner, wurde bald das gesamte Netz wieder aufgebaut. Nur die Strecke Saarlouis-Lisdorf-Ensdorf, wurde nicht mehr repariert, sondern stillgelegt.

Bald lief alles wieder "normal" und so verkehrte unsere "Linie 4" viele Jahre zwischen Saarlouis und Hülzweiler, bis sie letztendlich der "modernen Zeit" weichen musste und im Jahre 1960 stillgelegt wurde. Über die "letzte Fahrt" der "Linie 4" berichte ich im Anschluss.

Maria Kirsch geb. 22.07.1892 in Hülzweiler, Linnstraße

erste Schaffnerin 1915(!) - Linie Wallerfangen

Triebwagenführer Josef Hesidenz mit Schaffnerin Maria Lessel geb. Rupp in den Kriegsjahren, Hülzweiler

Josef Hesidenz, Hülzweiler - langjähriger Triebwagenfahrer

Veröffentlicht im Gemeindeboten Schwalbach: 11.12.2009 : 50/09

Hülzweiler und seine "Linie 4" die Straßenbahn

Teil 4 (Schluss)

von Otto Wilhelm

Im Jahre 1958 hatte das Netz der Straßenbahnen im Kreisgebiet eine Strecke von 29 befahrenen Km. Es waren 26 Trieb- und 20 Beiwagen im Dienst. Doch bald machten sich immer mehr Mängel bemerkbar, die eine grundlegende Erneuerung der Strecken und Wagen dringend erforderlich machten. So entschloss man sich zur Einstellung der einzelnen Teilstrecken ab dem Jahre 1953. Als erste Linie wurde die Strecke Lisdorf, Wadgassen und Ensdorf Bous eingestellt.

Als letzte Strecke wurde Saarlouis-Creutzwald stillgelegt. Nach Hülzweiler fuhr die Bahn relativ lange, denn erst am 29. Februar 1960 fuhr die "Elektrisch" zum letztenmal in Hülzweiler ein. Der Triebwagen war mit Fähnchen geschmückt, doch im Gegensatz zu 1927 bei der ersten Fahrt, war keine Menschenmenge zu sehen. Es hatte geschneit und nur einige Kinder spielten auf der Freifläche.

Am Triebwagen hingen zwei Transparente mit folgender Aufschrift "Das beste Pferd, das es je gab" und "Wir fuhren eine Generation, morgen geht es in Pension". So war das Ende "der Linie 4" unspektakulär, fast unbemerkt gekommen. Alle Verbindungen der alten Strecke wurden nun durch Omnibuslinien nach und nach ersetzt.

Ein wichtiger Abschnitt der Dorfgeschichte war vorüber, der viele Jahre Hülzweiler mitgeprägt hatte, und so ist es vielleicht gut, dies der jüngeren Generation zu erhalten.

(Eine persönliche Anmerkung sei mir zum Schluss erlaubt. Der rührige Ortsvorsteher Matthias Rupp, der die Bahn nach Hülzweiler brachte, war mein Taufpate.)

Letzte Fahrt der "Linie 4" am 29. Februar 1960

Bilder von Hans Riem

Veröffentlicht im Gemeindeboten Schwalbach: 11.12.2009 : 50/09